Polizeiarbeit verdient vor allem eines: Respekt

Wer die Polizei immer nur kritisiert und ihr vom Grunde her nicht den Rücken stärkt, der muss sich nicht wundern, wenn darunter Motivation und Einsatzbereitschaft leiden. Polizeiarbeit verdient vor allem eines: Respekt. (Nordkurier v. 14.3.2018, S. 3)

 

Rabauken-Jäger" erhitzt weiter die Gemüter - auch an der Viadrina

Frankfurt (Oder) (MOZ) Der "Rabauken-Jäger"-Fall, der deutschlandweit die Medien und zwei Gerichte in Mecklemburg-Vorpommern beschäftigte, ist nun auch in die Hörsäle eingezogen. Rechtswissenschaftler Holm Putzke erklärte Jura-Studenten der Viadrina, wo er grobe Fehler in der Verurteilung eines Journalisten sieht.
 
Vertiefend dazu: Putzke, Entscheidungsanmerkung zu LG Neubrandenburg, Urt. v. 5.2.2016 – 90 Ns 75/15 (Grenzen der Meinungsfreiheit beim Schutz der persönlichen Ehre); in: Zeitschrift für das Juristische Studium (ZJS) 2016, S. 391–397 

Peukert/Hillgruber/Foerste/Putzke, FAZ v. 9. Februar 2016: "Die Flüchtlingskrise kann rechtsstaatlich bewältigt werden"

Gemeinsam mit meinen Kollegen Alexander Peukert, Christian Hillgruber und Ulrich Foerste habe ich einen Beitrag zur Flüchtlingskrise verfasst. Wir teilen darin die Auffassung der Bundesregierung und ihrer Berater nicht. Die Flüchtlingskrise lässt sich im Rahmen des Rechts und nur im Rahmen des Rechts, nicht unter Außerachtlassung desselben lösen. Zum Recht zurückzukehren ist weder inhuman noch politische Schwäche; ganz im Gegenteil. Die Stärke einer Demokratie zeigt sich nicht zuletzt in ihrer Fähigkeit zur Selbstkorrektur. – Nach dem Maßstab von Heiko Maas sind wir damit jetzt wohl "geistige Brandstifter". Aber nicht auszuschließen, dass er da völlig daneben liegt - wäre nicht das erste Mal, dass er etwas in die Welt hinausposaunt, das weder Hand noch Fuß hat.
  

Gertler/Kunkel/Putzke (Hrsg.), Beck'scher Online-Kommentar JGG

Soeben erschienen ist der "Beck'sche Online-Kommentar JGG". Mit dem jugendstrafrechtlichen Teil des Beck’schen Online-Kommentars ergänzen wir das Angebot zum Strafrecht. Unser Ziel ist es, dem Leser ein ebenso fundiertes wie umfassendes und aktuelles Medium an die Hand zu geben, um die in der Praxis auftretenden Fragen „mit einem Klick“ bearbeiten zu können. Unser Team besteht aus etwa 20 Autorinnen und Autoren aus Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft, alle mit dem Thema Jugendstrafrecht verbunden durch die berufliche Beschäftigung. Allein deshalb prägt eine praxisgerechte und juristische Schwerpunktsetzung die Kommentierung – wir haben jenen Vorschriften besonderes Augenmerk gewidmet, die die tägliche Arbeit bestimmen, ohne wissenschaftliche Fundierung oder aktuelle rechtspolitische Diskussionen zu vernachlässigen. Unser Bestreben ist es, einen Kommentar anzubieten, der es erlaubt, die sich in der täglichen Arbeit stellenden juristischen Fragen schnell und zuverlässig zu beantworten.

 

Interview zur Flüchtlingskrise ("Dann wird es auch für Angela Merkel problematisch")

Passauer Neue Presse (PNP) vom 5. Dezember 2015, Nr. 283, S. 18

 

Bundestag kriminalisiert geschäftsmäßige Sterbehilfe (6. November 2015)

Heute hat der Bundestag einen neuen Straftatbestand beschlossen und kriminalisiert diejenigen, die geschäftsmäßige Sterbehilfe leisten. Zweifellos ein schwarzer Tag, vor allem für schwerstleidende Menschen. Es ist juristisch absurd, Angehörigen Freitodbegleitungen zu erlauben, dies aber Sterbehilfeorganisationen und ärztlichen „Wiederholungstätern“ zu verbieten. Damit verwehrt man schwerstleidenden Menschen optimale Begleitung in einen selbstbestimmten Tod. Wer die Debattenbeiträge heute im Bundestag verfolgt hat, konnte einen Eindruck davon bekommen, in welchem erschreckenden Ausmaß dort juristische Inkompetenz herrscht.

 

Das Recht der Öffentlichkeit, Gerichtsurteile zu lesen

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer grundlegenden Entscheidung das Recht der Öffentlichkeit gestärkt, den Inhalt von Gerichtsentscheidungen zur Kenntnis zu nehmen (BVerfG, Beschl. v. 14. September 2015, 1 BvR 857/15). Herauszugeben seien selbst Urteile, die noch nicht rechtskräftig sind (Rn. 20). Das Gericht bezieht sich dabei auf einen Aufsatz, den ich gemeinsam mit Jochen Zenthöfer in der NJW publiziert habe (NJW 2015, S. 1777 ff.: "Der Anspruch auf Übermittlung von Abschriften strafgerichtlicher Entscheidungen"). 
 

7. Oktober 2015: Ist Angela Merkel eine Schleuserin? Eine strafrechtliche Betrachtung

 
 

21. September 2015: Putzke/Scheinfeld, Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2015

Putzke/Scheinfeld, Strafprozessrecht soeben erschienen in der 6. Auflage. Dieses Buch ist nicht nur geeignet für Studierende und Rechtsreferendare, die sich erstmals schnell einen Überblick ver­schaffen oder die das Strafprozessrecht innerhalb kürzester Zeit wieder­­holen wollen, sondern auch für diejenigen, die sich als juristische Laien erstmals mit der Materie beschäftigen möchten.

Vermittelt werden die wichtigsten Kenntnisse zum Straf­pro­zess­recht. Wer das Buch durch­ge­arbeitet hat, kann alle Auf­gaben bewäl­tigen, die im Studium üblicherweise ge­stellt werden. Vorzüge: anschaulich herausgearbeitete Gesetzesstrukturen, wichtiges Detailwissen in systematischen Zusammenhängen, zahlreiche Fälle, Aufbauschemata und Lernkontrollfragen. Mit ausführlichen Kapiteln zu den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, den Beweisverwertungsverboten sowie Verständigungen.

 

Putzke/Zenthöfer, Der Anspruch auf Übermittlung von Abschriften strafgerichtlicher Entscheidungen, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2015, S. 1777 ff.

Verbreitet ist noch immer der Irrtum, dass gerichtliche Entscheidungen nur in Ausnahmefällen herausgegeben werden müssen. Das verträgt sich weder mit der für einen Rechtsstaat elementaren Notwendigkeit der Publizität gerichtlicher Entscheidungen noch damit, dass eine moderne Justiz in erster Linie Dienstleister ist. Eine Modernisierung der Justiz verlangt nicht immer nach großangelegten Reformen. Manchmal genügt es schon, wie bei der Übermittlung von Abschriften strafgerichtlicher Entscheidungen, sich adressatenorientiert ans geltende Recht zu halten:

Danach ist „Jedermann“ berechtigt, eine anonymisierte gerichtliche Entscheidungen anzufordern. Das Informationszugangsrecht ist voraussetzungslos. Vor allem muss neben der bloßen Anfrage kein „berechtigtes Interesse“ dargelegt werden. Es ist auch nicht notwendig, das Übersendungsverlangen zu begründen. Es muss überhaupt kein Grund für das Herausgabeverlangen angegeben werden.

 

Generalstaatsanwalt kämpft mit "Schaum vor dem Mund"

Mirko Laudon: Generalstaatsanwalt kämpft mit "Schaum vor dem Mund", strafakte.de vom 29.6.2015: "... Dem­zu­folge ver­folgt die Staats­an­walt­schaft in die­sem Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ei­nen of­fen­sicht­lich Un­schul­di­gen. Dies könnte (straf­recht­lich) zu ei­nem erns­ten Pro­blem für Ge­ne­ral­staats­an­walt Hel­mut Trost und schließ­lich auch (po­li­tisch) für Mi­nis­ter­prä­si­dent Er­win Sel­le­ring wer­den. Das letzte Mal wur­den Un­schul­dige im heu­ti­gen Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 1989 verfolgt."

 

Rabauken in Mecklenburg-Vorpommern

Wie unprofessionell die Justiz sich manchmal verhält, allen voran der Generalstaatsanwalt, zeigt ein Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern.

 

Fensterln-Debatte an der Universität Passau

Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Passau hat die Veranstalter der Campus Games, einer Veranstaltung des Sportzentrums, wissen lassen, dass das bei dieser Veranstaltung geplante "Fensterln" gegen das Gleichstellungskonzept der Universität Passau verstoße. Ein solcher Verstoß ist freilich nicht zu erkennen. Vielmehr handelt sich bei der Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten um eine undurchdachte Aktion, die den berechtigten Belangen von Gleichberechtigung und -stellung einen Bärendienst erweist. Es ist bedauerlich, dass die Universität Passau mit einer solchen Posse bundesweit in die Schlagzeilen geraten ist.

Abgesehen davon steht es der Gleichstellungsbeauftragten auch gar nicht zu, sich als solche im vorliegenden Fall zu äußern: Der Aufgabenbereich der Gleichstellungsbeauftragten ist geregelt in Art. 17 des Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern (BayGlG). Danach sollen die Gleichstellungsbeauftragten den Vollzug des Gesetzes fördern und überwachen. Ziel des Gesetzes ist es nach Art. 2 Abs. 1 BayGlG aber allein, die Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst zu verwirklichen – es geht also um die Belange bei Beschäftigungsverhältnissen. Folglich hat die Gleichstellungsbeauftragte sich mit ihrer Stellungnahme außerhalb des vom Gesetz zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt.

 

Thementag "Kirche & Staat"

Kirche & Staat - Thementag am 9. Mai 2015 an der Universität Passau mit hochkarätigen Referenten (Beginn: 11.30 Uhr, SR 017 ITZ)

 

Hoeneß-Urteil: Schwer zugänglich für Medien

 
"Die Justiz hat in diesem Fall der Veröffentlichung von Urteilen eine Bringschuld, so dass es überhaupt nicht nötig sein muss, dass jemand erst verlangt, dass etwas veröffentlicht wird. Im Fall von Ulrich Hoeneß hätte die Justiz dies von vornherein tun sollen und in Anbetracht der öffentlichen Nachfrage und des öffentlichen Interesses auch besonders schnell.“

 

"Hört auf statt Haut ab!"

Beschneidungsschau in Berlin: Kleine Männer, was nun?

Das Jüdische Museum in Berlin widmet sich der männlichen Genitalverstümmelung. Wenig erstaunlich ist, dass Strittiges dabei ausgegrenzt wird, etwa die vollkommen unzureichende Schmerzbehandlung. Denn trotz gesetzlichen Verbots wird das archaische Ritual der Brit Mila in Deutschland noch immer meist ohne ausreichende Betäubung praktiziert. Es findet sich auch kein angemessener Hinweis darauf, dass immer mehr jüdische Familien weltweit die Vorhautamputation strikt ablehnen und sich trotz religiöser Drohkulisse bewusst für den uneingeschränkten Schutz von Gesundheit und körperlicher Integrität ihrer Kinder entscheiden. Aber das wäre vielleicht auch zu viel verlangt für den Anfang...

 

Neu: "Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben", 5. Auflage, 2014

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Die Neuauflage meines Buchs "Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben" vermittelt die wichtigsten Kenntnisse, wie man juristische Arbeiten richtig verfasst, etwa Klausuren,  Haus- und Semi­nar­arbeiten sowie Häus­liche Arbeiten. Enthalten sind wertvolle Tipps u. a. zu folgenden Themen:
  • Effektives Herangehen an juristische Arbeiten
  • Juristisches Handwerkszeug (Gutachtentechnik und Methodik)
  • Richtige sprachliche und formale Gestaltung
  • Korrekter Umgang mit Rechtsprechung und Literatur
  • Perfekte Zitierweise
  • Geschicktes Nutzen von Text­verarbeitungsprogrammen mit grafischer Anleitung

Ergänzt wird der Inhalt durch zwei Originalarbeiten sowie zahlreiche Muster von Deck- und Titelblättern. Das Buch liefert damit für das gesamte Studium und darüber hinaus eine optimale Anleitung zur Erstellung von Texten. Dank des ausführlichen Stichwortverzeichnisses ist es ein nützliches Nach­schlagewerk.

 

"HU-Professorin fordert: Beschneidung bei Mädchen soll erlaubt werden"

Man kann es nicht oft genug sagen: Was Kollegin Hörnle fordert, ist aus ihrer Sicht absolut konsequent. Wer § 1631d BGB für verfassungsgemäß hält, darf aus Gründen der Gleichbehandlung die milden Formen der weiblichen Genitalverstümmelung nicht verbieten. Die Notwendigkeit zur Gleichbehandlung ergibt sich zwingend aus unserer Verfassung, d.h. Art. 3 GG in Verbindung mit § 1631d BGB. Es gibt keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung.

Man sollte Tatjana Hörnle nicht für ihren Mut zur Konsequenz tadeln. Von Anfang an wurde davor, nicht nur von mir, gewarnt (s. z.B. http://holmputzke.de/images/stories/pdf/2013%20pnp%20ist%20das%20beschneidungsgesetz%20verfassungswidrig.pdf). Die Abgeordneten des Bundestages, die § 1631d BGB zugestimmt haben, wollten das damals nur nicht hören.

Das Grundübel liegt darin, § 1631d BGB für verfassungsgemäß zu halten. Wer Tatjana Hörnle nun für ihre Rechtsauffassung zur weiblichen Genitalverstümmelung attackiert und gleichzeitig § 1631d BGB verteidigt, verhält sich unredlich. Wer gegen die Genitalverstümmelung von Mädchen ist, darf die Genitalverstümmelung von Jungen nicht verteidigen.

 

These zum 70. Deutschen Juristentag: Gutachterin hält in Deutschland bestimmte ("milde") Formen der weibliche Genitalverstümmelung für erlaubt!

Viele von denen, die die Genitalverstümmelung von Jungen gutheißen und den neuen § 1631d BGB verteidigen, sind inzwischen auch dazu übergegangen, die Genitalverstümmelung von Mädchen zu rechtfertigen. Dazu gehört die Berliner Rechtswissenschaftlerin Tatjana Hörnle, die als These auf dem 70. Deutschen Juristentag (16. bis 19. September 2014 in Hannover) vertreten wird, dass nicht „alle Veränderungen an weiblichen Genitalien unter 'verstümmeln' zu fassen sind“ (http://www.djt.de/fileadmin/downloads/70/djt_70_Thesen_140804.pdf – Seite 23). Aus ihrer Sicht ist das konsequent, denn wer zulässt, dass Jungen die Vorhaut amputiert wird, darf nicht gleichzeitig die Beschneidung der Klitorisvorhaut verbieten. Aber was für ein Preis, um irgendwie die Erlaubnis zu retten, die Vorhaut von Jungen zu amputieren! Warum nicht auch den Eltern der Christensekte „Zwölf Stämme“ erlauben, ihre Kinder zu schlagen, was diese selbsternannten „Züchtigungsberechtigten“ als Teil ihres bibeltreuen Erziehungskonzepts verstehen (http://www.spiegel.de/schulspiegel/zwoelf-staemme-sekte-zeigt-rtl-reporter-an-a-984059.html)?

Wem die verfassungsmäßig garantierten Rechte von Kindern wichtig sind, wer dagegen ist, dass Kinder ausgehend von ihren Eltern körperlicher Gewalt ausgesetzt sind und gezüchtigt werden, und wer es für eine Schande und großes Unrecht hält, wenn Mädchen aus traditionellen oder religiösen Gründen an ihren Genitalien herumgeschnitten wird, der muss auch die Genitalverstümmelung von Jungen bekämpfen!

 

Religiös motivierte Genitalverstümmelung von Jungen

Matthias Franz und Jerome Segal im Interview mit der Journalistin Teresa Arrieta im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches "Die Beschneidung von Jungen. Ein trauriges Vermächtnis" (hrsg. v. Matthias Franz, 2014). 

 

Beschwerde gegen den von Jennifer Nathalie Pyka verfassten und auf "Cicero Online" publizierten Artikel begründet – Verstoß gegen Ziff. 2 des Pressekodex

In einem Artikel vom 17. April 2013, der auf "Cicero Online" publiziert wurde („Jüdische Familie im Fadenkreuz deutscher Ermittler“), berichtete die Bloggerin Jennifer Nathalie Pyka, die sich selber als „freie Journalistin“ bezeichnet, über ein Strafverfahren, dem eine Beleidigung zugrunde lag. Nachdem es möglich war, Einsicht in die Ermittlungsakten zu nehmen, stellt der Sachverhalt sich allerdings ganz anders dar. Nicht zuletzt deshalb hat der Deutsche Presserat eine Beschwerde gegen die Darstellung in dem besagten Beitrag mit Beschluss vom 11. März 2014 für begründet erachtet sowie einen Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex bejaht und der Redaktion einen Hinweis zur journalistischen Sorgfalt erteilt. Dies ist Grund genug, die Sache hier noch einmal aufzugreifen. Nicht zuletzt wird dadurch sichtbar, wohin Voreingenommenheit und fehlende Professionalität führen können.

Angezeigt hatte ich den zunächst unbekannten, weil im vermeintlichen Schutz der Anonymität agierenden Täter. Nun muss man wahrlich nicht jede Beleidigung zum Anlass nehmen, den kriminellen Urheber zur Verantwortung zu ziehen. Vor allem das Internet ist bekanntermaßen auch ein Sammelbecken für Menschen mit gestörter Sozialentwicklung, die es allein im Schatten der Anonymität wagen, sich ungehemmt zu verhalten, denen aber von Angesicht zu Angesicht sowohl der Mut als auch die rhetorischen Möglichkeiten fehlen würden, an einer sachlichen Auseinandersetzung teilzunehmen. Das ist die eine Seite. Auf der anderen sollte sich aber, wer beleidigt wird, nicht alles gefallen lassen, schon gar nicht, wenn die Beleidigung ein bestimmtes Maß des Zumutbaren überschreitet.

Jennifer Nathalie Pyka will den guten Effekt von Strafanzeigen für die Beschneidungsdebatte nicht gelten lassen. Sie meint vielmehr, Beleidigungsanzeigen machten den „Kampf um die Vorhaut“ zum „Streit um Befindlichkeiten“ und ihn „endgültig zur Farce“, denn wer andere mit seiner Kritik verletze und verunsichere, müsse auch einstecken können. Das klingt nur auf den ersten Blick plausibel. Bei genauerem Hinsehen steckt dahinter eine rechtsfeindliche Grundeinstellung. Der Ansatz führt – konsequent zu Ende gedacht – direkt zur Freigabe von Rechtsbrüchen. Denn danach würde derjenige das Recht verwirken, sich auf den Schutz des Strafrechts zu berufen, der seine Meinung äußert und dadurch bewirkt, dass andere sich verletzt oder verunsichert fühlen. Muss also derjenige, der sich lustig macht über die „Mutter Gottes“, damit rechnen, sanktionslos beleidigt zu werden? Und wo ist die Grenze? Leichte Körperverletzungen nach bloßer Karikierung des Propheten Mohammed, stärkere bei seiner Schmähung, auch wenn sie von der Meinungsfreiheit noch gedeckt ist? Spätestens jetzt wird deutlich, wie töricht das von Pyka Gesagte ist.

Im vorliegenden Fall funktionierte allerdings der Rechtsstaat. Deshalb leitete die Staatsanwaltschaft München auch ein Ermittlungsverfahren gegen einen User bei Facebook ein, der im Juli 2012 unter einem Pseudonym in beleidigender Form mit mir Kontakt aufnahm. Dank seiner Profilangaben war der Inhaber des Profils rasch gefunden: ein vierzehnjähriger Schüler. Weil der Duktus der Beleidigung aber nicht gerade jugendtypisch war, gab es schon damals Zweifel an seiner Täterschaft. Gleichwohl erging zur Beweissicherung alsbald ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München, der nach der Durchsuchung, weil er trotz zweifelhaften Tatverdachts gegen den Jungen gerichtet gewesen und nicht optimal begründet war, für rechtswidrig erklärt wurde.

Durchgeführt wurde die Durchsuchung an einem Mittwoch um 6.20 Uhr. Weder die Mutter noch den beschuldigten Jungen schien der Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses zu überraschen. Laut dem Durchsuchungsbericht sagte der Junge spontan: „Ja, da hat mein Papa nach der Fernsehsendung was bei mir geschrieben!“ Eben jener befand sich gerade im Bad, erschien aber kurz darauf. Sichtlich gereizt und „in aufbrausender, fast cholerischer Verfassung“ räumte er ein, der Täter gewesen zu sein, berief sich allerdings auf die Meinungsfreiheit. Das nun wiederum war selbst seinem Sohn zu viel, dem das Verhalten seines Vaters – so der Durchsuchungsbericht – „sichtlich unangenehm war“ und der seinen Vater belehrte, dass „man seine Meinung schon äußern dürfe, aber nicht beleidigen“. Doch Maurice Z. redete sich weiter in Rage und versuchte, die Polizisten zu provozieren. Unter anderem hielt er ihnen vor, dass sie sicher in der Ausbildung mitbekommen hätten, dass „Juden vergast“ wurden und sie „die Schuld geerbt“ hätten. Als ein Polizeibeamter erwiderte, er sei sich persönlich keiner Schuld bewusst, meinte Maurice Z. sinngemäß, dass er schon wisse, in welcher Ecke der Polizist stehe. Sodann drohte Maurice Z. mehrmals damit, dass er sich bei Frau Knobloch über den Vorfall beschweren und den Fall bei der Presse „sofort aufbauschen“ werde. Bei der Verabschiedung entschuldigte sich die Ehefrau von Maurice Z. für sein Verhalten.

Doch anscheinend gab es jedenfalls unter den seriösen Journalisten niemanden, der bereit war, den bei Lichte besehen unspektakulären Fall aufzugreifen und, wie Maurice Z. gedroht hatte, „aufzubauschen“. Allein Jennifer Nathalie Pyka erklärte sich dazu bereit und sah eine Gelegenheit, sich über die Beschneidungskritiker zu empören. Für eine wahrheitsgetreue Schilderung und sorgfältige Recherche interessierte Pyka sich dabei anscheinend eher weniger, was – wie bereits erwähnt – laut Presserat in einem Verstoß gegen Ziffer 2 des Pressekodex endete.

In besagtem Artikel wird der Beginn der Durchsuchung mit „Punkt sechs Uhr“ angegeben und der Ablauf wie folgt beschrieben: „Jonathan S. [der Vater des Jungen, der Maurice Z. heißt, Anm. HP] staunt nicht schlecht, als die Staatsschützer ihm eröffnen, nun auf richterliche Anordnung die Räumlichkeiten seines Sohns, David S. (15), zu durchsuchen. Nur wenige Sekunden später stürmen sie das Zimmer des noch schlafenden Jugendlichen, konfiszieren seinen Laptop und fragen ihn, ob er Aussagen zur Sache machen möchte.“

Wer zuvor die Überschrift gelesen hatte („Jüdische Familie im Fadenkreuz deutscher Ermittler“), dem erschien die Szenerie unwillkürlich vor Augen: Deutsche Polizisten stürmen das Zimmer eines jüdischen Jungen, um ihn zu vernehmen und seine persönlichen Sachen zu beschlagnahmen. Was für ein Bild! Pyka wollte Assoziationen wecken. Das zu tun, steht ihr journalistisch zu – nicht aber, zugunsten der Dramaturgie die Wahrheit zu verdrehen.

Ausweislich des Durchsuchungsberichts begann die Durchsuchung tatsächlich um 6.20 Uhr. Als die Polizisten klingelten, befand der Vater sich noch im Bad; geöffnet wurde die Haustür von der Mutter. Sie war es auch, die sich den Durchsuchungsbeschluss durchlas, bevor sie in den ersten Stock ging, um dort ihren Sohn zu holen. Von den im Erdgeschoss wartenden Polizisten wurde dieser sodann zunächst belehrt und über den Tatvorwurf informiert. Anschließend ließen sie sich sein Zimmer zeigen.

Man mag die Falschangaben, ob die Durchsuchung „Punkt sechs Uhr“ oder 6.20 Uhr begann und ob die Mutter oder der Vater die Tür öffnete, als zulässige journalistische Freiheit noch durchgehen lassen. Ob aber Polizisten ins Zimmer eines schlafenden Jugendlichen „stürmen“, wenn der Junge längst wach war, als die Polizisten das Zimmer betraten, er vielmehr zunächst im Erdgeschoss belehrt wurde, bevor die Polizisten sich von ihm sein Zimmer zeigen ließen, das ist keine zulässige Zuspitzung, sondern entweder Folge einer bewussten Verfälschung des Sachverhalts oder grober Sorgfaltspflichtverletzung bei der Recherche. Polizisten, die ins Zimmer eines schlafenden Jugendlichen stürmen, gab es nur im Artikel von Jennifer Nathalie Pyka, nicht aber an diesem Tag im Haus von Maurice Z. und seiner Familie.

Es passt auch ins Bild, dass Pyka in einem späteren Beitrag zwar über die den Sohn betreffende Einstellung des Verfahrens berichtet hat, aber verschwieg, dass der Vater – über seinen Verteidiger – zuvor gegenüber der Staatsanwaltschaft ein Geständnis abgelegt und sein die Durchsuchung auslösendes beleidigendes Verhalten bedauert hatte. Augenscheinlich brachte das Strafverfahren den Beleidiger zur Besinnung. Und weil Maurice Z. seine Täterschaft zugab und sich entschuldigte, war es durchaus vertretbar, das Verfahren schließlich wegen Geringfügigkeit einzustellen.

Aufgrund der Beschwerde hat die Redaktion die fehlerhafte Darstellung inzwischen korrigieren müssen. Nun ist keine Rede mehr davon, dass Polizisten ins Zimmer eines schlafenden Jugendlichen stürmen. Von Pykas einseitig-dramatisierender Schilderung ist nichts übrig geblieben.

 

31. März 2014

Mit Beschluss vom 5. Dezember 2013 (Az.: 20 UF 877/13) hat der 20. Familiensenat des OLG Dresden Folgendes entschieden: "Die Untersuchung mit einem Polygrafen ist im Sorge- und Umgangsrechtsverfahren ein geeignetes Mittel, einen Unschuldigen zu entlasten (...)".
 
 

31. Januar 2014: Sweden and Denmark Recommend Ban on Non-Medical Circumcision of Boys

Es wird zunehmend ungemütlicher für Leute, die archaische Glaubensrituale gegen Kinderrechte in Stellung bringen und zur Rechtfertigung nutzen, um Jungen wie Mädchen zwecks religiös-kultureller Stempelung irreversibel an ihren Genitalien zu verletzen.

 

24. Januar 2014: Evidenz ohne Ethik

In der Ausgabe 12/2013 der Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) hat Hendrik Pekárek einen Aufsatz zum Thema "Ein evidenzbasierter Blick auf die Beschneidungsdebatte" publiziert. Harald Stücker bringt in seinem Beitrag "Evidenz ohne Ethik" (veröffentlicht unter: Humanistischer Pressedienst Nr. 17669 v. 24. Januar 2014 und auf seinem Blog "Evidenz-basierte Ansichten") präzise auf den Punkt, warum der Beitrag wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt, mit anderen Worten: wissenschaftlich wertlos ist. Erneut zeigt sich, was passieren kann, wenn der klare Blick auf Fakten und grundlegende ethische Wertungen durch persönliche Betroffenheit verstellt ist (dazu Putzke, Die Beschneidungsdebatte aus Sicht eines Protagonisten, in: Franz [Hrsg.], Die Beschneidung von Jungen: Ein trauriges Vermächtnis, 2014). Doch selbst dieser Aspekt vermag nicht zu erklären, warum Pekárek einen derart evident tendenziösen Text verfasst hat und auch dadurch seine mangelnde wissenschaftliche Befähigung dokumentiert (siehe dazu auch Herzberg, Der Abwägungsgedanke und der „evidenzbasierte Blick“ in der Beschneidungsdebatte, in: Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS) 2014, S. 56–65, der darauf hinweist [S. 62], dass Pekárek sich sogar nicht gescheut hat, die Aussagen anderer Personen in grob verfälschender Art und Weise darzustellen).

 

Staatsanwaltschaft Berlin stellt Ermittlungsverfahren gegen Rabbiner Yehuda Elyokin Tiechtel ein

Wie der Tagesspiegel v. 27.11.2013 berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Berlin das Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung gegen den Rabbiner Tiechtel eingestellt. Juristisch betrachtet ist die Entscheidung keinesfalls zwingend. Die Staatsanwaltschaft hätte durchaus Anklage erheben können, nicht zuletzt weil es sich bei der Einlassung des Beschuldigten um eine bloße Schutzbehauptung handeln dürfte. Die erforderlichen Verdachtsmomente für eine Anklageerhebung waren gegeben, aber offenbar besteht in Berlin kein Interesse daran, dieses brisante Thema in einer öffentlichen Hauptverhandlung klären zu lassen.

Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft macht deutlich: Das widerliche Ritual Metzitzah B’peh ist in Deutschland verboten, denn § 1631d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) lässt solche Praktiken eindeutig nicht zu. Hätte der Beschuldigte eine Metzitzah B’peh nachweislich bewusst durchführen lassen, gäbe es an seiner Strafbarkeit gar keinen Zweifel. 
 
 

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ändert Fachinformation: EMLA-Salbe bei Zirkumzisionen ungeeignet

Die EMLA-Salbe ist für eine wirksame Schmerzbehandlung bei Zirkumzisionen ungeeignet (vgl. dazu den Beitrag von Markus C. Schulte von Drach, Fragwürdige Betäubung, in: Süddeutsche Zeitung vom 19. August 2013). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat kürzlich darauf reagiert und seine Fachinformationen geändert. Auch der Arzneimittelhersteller hat reagiert und die Hinweise zum Gebrauch von Emla bei einer Beschneidung von Jungen auf dem Beipackzettel entfernt.

Rechtlich stellt sich die neue Situation wie folgt dar: Wird EMLA-Salbe gleichwohl als einziges Betäubungsmittel eingesetzt, erfolgt eine Zirkumzision nicht lege artis. Es handelt sich deshalb um einen Verstoß gegen § 1631d BGB, was den Eingriff rechtswidrig macht.

 

Anmeldeschluss "Schwerpunkte im Jurastudium"

Am 11. und 12. September 2013 findet die zweite Fachtagung des Instituts für Rechtsdidaktik unter dem Titel "Schwerpunkte im Jurastudium" statt, zu der wir Sie herzlich einladen! Der Anmeldeschluss ist der 1. September 2013. Informationen zum Programm der Veranstaltung sowie das Anmeldeformular finden Sie unter folgendem Link: http://www.jura.uni-passau.de/ird-tagung2013.html.

 

2. Dresdner Medizinrechtssymposium (25./26. Oktober 2013)

Am 25. und 26. Oktober findet das 2. Dresdner Medizinrechtssymposium im Festsaal der Sächsischen Landesärztekammer in Dresden statt. Das Symposium richtet sich an alle Entscheider im Gesundheitswesen. Unter dem Motto „Wissenschaft trifft auf Praxis“ werden Referenten aus allen Bereichen des Gesundheitssystems, aus Justiz, Verwaltung und Wissenschaft „heiße Eisen“ aus dem Gesundheitswesen anpacken und mit dem Auditorium diskutieren. Veranstalter sind die DIU Dresden International University (Weiterbildungsuniversität der Exzellenzuniversität TU Dresden) und der Förderverein Medizinrecht der Dresden International University e.V.. Zahlreiche Kooperationspartner, Unterstützer und Medienpartner aus dem Gesundheitswesen fördern dieses engagierte und hochkarätige Projekt. Informieren Sie sich unter www.di-uni.de/R/Medizinrechtssymposium über das Programm, die Referenten, den Veranstaltungsort, das Rahmenprogramm sowie über organisatorische Eckdaten der zweitägigen Veranstaltung.

Enthalten im Programm vom 26. Oktober 2013 sind u.a. folgende Referate:

15:30 – 17:00 Uhr Themenblock 7: Beschneidung der Rechte von Knaben?

  • Zur Strafbarkeit des Arztes bei religiös motivierten Beschneidungen von Jungen. Eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit dem Kölner Urteil,
    Referent: Dr. med. Reza Hafiz, LL.M.
  • Verfassungsrechtliche Aspekte des § 1631d BGB,
    Referent: RA Andreas Manok, LL.M., Ravensburg
  • Kritische Analyse und praktische Umsetzung des Beschneidungsgesetzes (§ 1631d BGB),
    Referent: Prof. Dr. iur. Holm Putzke, LL.M., Universität Passau
  • Diskussion
Kontakt: Dresden International University,Franziska Ramisch,Tel: 0351 – 40 470 - 140,Fax: 0351 – 40 470 - 110,www.dresden-international-university.com, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

30. Juli 2013: FRONTAL 21 (ZDF)

Interview zum Wiederaufnahmeverfahren "Gustl Mollath"; in: FRONTAL 21 (ZDF), "Mollath: In den Mühlen der Justiz"

 

23. Juli 2013: OLG Dresden erlaubt polygrafische Untersuchungen in Familiensachen

OLG Dresden (Familiensenat), Beschluss vom 14. Mai 2013, Az.: 21 UF 787/12: "Die Untersuchung mit einem Polygraphen ist im Sorge- und Umgangsrechtsverfahren ein geeignetes Mittel, einen Unschuldigen zu entlasten (...)."

 

16. Juli 2013: Taugen Lügendetektoren als Beweismittel?

Fakt | Das Erste | 16.07.2013 | 21:45 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat 1998 den Einsatz von sogenannten Lügendetektoren in Strafverfahren für unzulässig erklärt. Zur Begründung hieß es, der Polygraph liefere keine geeigneten Beweise. Doch jetzt hat das Amtsgericht Bautzen einen mutmaßlichen Vergewaltiger freigesprochen und sich dabei auch explizit auf einen Lügendetektor-Test bezogen, der den Mann entlastete. Unter Experten ist dieser Test aber nach wie vor umstritten.

Der Jurist Holm Putzke von der Universität Passau fordert, sogenannte Lügendetektor-Tests bei Strafverfahren vor Gericht grundsätzlich zuzulassen. Er sagte, die polygraphische Methode sei zuverlässig, die Ergebnisse seien nicht zufällig. Die Methode könne einen Hinweis darauf geben, ob der Tatvorwurf zutreffe oder nicht. Der Polygraph könne zur Wahrheitsfindung beitragen. Genau darum gehe es im Strafverfahren. Putzke weist zudem darauf hin, dass der Lügendetektor-Test in Prozessen durchaus bereits zum Einsatz kommt. In den meisten Fällen würden die Tests aber in der Urteilsbegründung nicht erwähnt. Das bezeichnet Putzke als gerichtliche Subkultur. Die Gerichte scheuten davor zurück, weil sie fürchteten, dass die höhere Instanz ihr Urteil aufhebe. Putzke zufolge hat das Amtsgericht Bautzen mit seiner Entscheidung Rechtsgeschichte geschrieben.

...

 

14. Juli 2013: "Schwerpunkte im Jurastudium" zweite rechtsdidaktische Fachtagung des Passauer Instituts für Rechtsdidaktik

Seit zehn Jahren sieht das Deutsche Richtergesetz für das Studium der Rechtswissenschaften einen Schwerpunktbereich vor, der zusammen mit der Staatsprüfung die Erste Juristische Prüfung bildet. Zehn Jahre sind Grund genug, Bilanz zu ziehen: Haben sich die Erwartungen erfüllt, die mit der Einführung des Schwerpunktbereichs verbunden waren? Gibt es Verbesserungsvorschläge? Die zweite Fachtagung des Passauer Instituts für Rechtsdidaktik (http://www.jura.uni-passau.de/ird.html) möchte diesen Fragen am 11. und 12. September 2013 nachgehen. Thema soll dabei zugleich das wissenschaftliche Arbeiten im Studium sein – ging es bei der Einführung des Schwerpunktbereichs doch gerade auch darum, diesen Aspekt zu stärken.

Eine Anmeldung ist online möglich: http://www.jura.uni-passau.de/ird-tagung2013.html

 

28. Juni 2013: Putzke/Scheinfeld, Strafprozessrecht, 5. Aufl. 2013

Putzke/Scheinfeld, Strafprozessrecht soeben erschienen in der 5. Auflage (www.beck-online.de). Dieses Buch ist nicht nur geeignet für Studierende und Rechtsreferendare, die sich erstmals schnell einen Überblick ver­schaffen oder die das Strafprozessrecht innerhalb kürzester Zeit wieder­­holen wollen, sondern auch für diejenigen, die sich als juristische Laien erstmals mit der Materie beschäftigen möchten.

Vermittelt werden die wichtigsten Kenntnisse zum Straf­pro­zess­recht. Wer das Buch durch­ge­arbeitet hat, kann alle Auf­gaben bewäl­tigen, die im Studium üblicherweise ge­stellt werden. Vorzüge: anschaulich herausgearbeitete Gesetzesstrukturen, wichtiges Detailwissen in systematischen Zusammenhängen, zahlreiche Fälle, Aufbauschemata und Lernkontrollfragen. Mit ausführlichen Kapiteln zu den strafprozessualen Zwangsmaßnahmen, den Beweisverwertungsverboten sowie Verständigungen.

 

23. Juni 2013: Fernsehbeitrag im MDR zum Lügendetektor

In der Sendung "Exakt" hat der MDR am 19. Juni 2013 über aktuelle Entwicklungen zum "Lügendetektor" berichtet, unter anderem über das Strafverfahren beim Amtsgericht Bautzen, in dem das Gericht die polygrafische Methode für zuverlässig und in einem Strafverfahren für zulässig angesehen hat.

Wahrheit und nichts als die Wahrheit?, Beitrag zu polygrafischen Untersuchungen (Lügendetektor), in: Exakt, Mitteldeutscher Rundfunk (MDR), www.mdr.de/exakt/video130358.html (ab Minute 8:46)

Damit stellt sich das AG Bautzen gegen die Rechtsprechung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs. Ein solcher Schritt war längst überfällig, weil die Entscheidungen des 1. Strafsenats zur polygrafischen Methode nicht zu überzeugen vermögen. Dazu: „So wird eine gerichtliche Entscheidung nicht überzeugend“, Interview mit Prof. Dr. Holm Putzke zur Position des Bundesgerichtshofs zur polygrafischen Methode, in: Exakt (MDR), http://www.mdr.de/exakt/video130446.html

 

26. Mai 2013: "Criminal Relevance of Circumcising Boys" (first published in: Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg, 2008, S. 669 ff.)

Die Entscheidung des Landgerichts Köln und die dieser Entscheidung zugrundeliegenden wissenschaftlichen Beiträge haben nicht nur in Deutschland eine nachhaltige gesellschaftliche und wissenschaftliche Diskussion ausgelöst, sondern weltweit einen Anstoß geliefert, den Sinn medizinisch nicht notwendiger Vorhautamputationen bei Jungen infrage zu stellen. Ausgangspunkt dieser Debatte war der Beitrag "Die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung von Knaben" (erschienen im Jahr 2008 in der Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg, S. 669–709). Er liegt nun in englischer Übersetzung vor: "Criminal Relevance of Circumcising Boys. A Contribution to the Limitation of Consent in Cases of Care for the Person of the Child".

Ebenfalls erschienen ist kürzlich eine Spezialausgabe der Zeitschrift "Journal of Medical Ethics" zu Problemen der Jungenbeschneidung. Bestandteil dieser Ausgabe ist der Beitrag von Merkel/Putzke, After Cologne: male circumcision and the law. Parental right, religious liberty or criminal assault? J Med Ethics 2013 (Published Online First: 22 May 2013):

Non-therapeutic circumcision violates boys’ right to bodily integrity as well as to self-determination. There is neither any verifiable medical advantage connected with the intervention nor is it painless nor without significant risks. Possible negative consequences for the psychosexual development of circumcised boys (due to substantial loss of highly erogenous tissue) have not yet been sufficiently explored, but appear to ensue in a significant number of cases. According to standard legal criteria, these considerations would normally entail that the operation be deemed an ‘impermissible risk’— neither justifiable on grounds of parental rights nor of religious liberty: as with any other freedom right, these end where another person’s body begins. Nevertheless, after a resounding decision by a Cologne district court that non-therapeutic circumcision constitutes bodily assault, the German legislature responded by enacting a new statute expressly designed to permit male circumcision even outside of medical settings. We first criticise the normative foundations upon which such a legal concession seems to rest, and then analyse two major flaws in the new German law which we consider emblematic of the difficulty that any legal attempt to protect medically irrelevant genital cutting is bound to face.

 

31. März 2013: "metzitzah b'peh" trotz § 1631d BGB

§ 1631d BGB erlaubt die Vornahme einer medizinisch nicht indizierten Knabenbeschneidung nur dann, wenn sie lege artis stattfindet, also nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Dass der Mohel den frisch beschnittenen Penis des acht Tage alten Säuglings in den Mund nimmt, um das Blut abzusaugen (metzitzah b'peh), gehört ganz sicher nicht dazu. In meinem Interview für den hpd habe ich mich dazu bereits geäußert: http://hpd.de/node/14709. Über ein solches kürzlich in Berlin durchgeführtes archaisches Ritual hat der Tagesspiegel am 4. März 2013 berichtet: http://www.tagesspiegel.de/berlin/zu-gast-bei-einer-beschneidung-mazel-tov/7869864.html. Dass diese besonders gefährliche Form der Brit Mila nun auch in Deutschland durchgeführt wurde, sorgt sogar international für Resonanz: http://failedmessiah.typepad.com/failed_messiahcom/2013/03/video-germany-chabad-circumcision-prompts-child-advocates-lawsuit-789.html. Inzwischen gibt es auch eine Strafanzeige: http://mogis-und-freunde.de/blog/circumcision-mendel-teichtal/.

Da die Einwilligung der Eltern unwirksam war, haben sich der Beschneider und die Eltern zweifellos strafbar gemacht. Wenn die Staatsanwaltschaft die aktuelle Rechtslage ernst nimmt, muss sie nicht nur ein Strafverfahren einleiten, sondern auch Anklage erheben.

 

26. März 2013: Amtsgericht Bautzen hält polygrafische Untersuchungen für zuverlässig und erklärt die Verwertung der damit gewonnenen Ergebnisse im Strafverfahren für zulässig

Das Amtsgerichts Bautzen hat Rechtsgeschichte geschrieben – sowohl das Familien- als auch das Schöffengericht. In einem Strafverfahren, dem eine Anklage wegen Vergewaltigung zugrunde lag, hat das Schöffengericht Bautzen den Angeklagten freigesprochen und sich dabei unter anderem auf das Ergebnis einer polygrafischen Untersuchung gestützt (Amtsgericht Bautzen [Schöffengericht], Urteil vom 26. März 2013, Az.: 40 Ls 330 Js 6351/12, veröffentlicht in: BeckRS 2013, 08655).

In einer dem Strafverfahren vorangegangenen Familiensache, in der es um das elterliche Sorgerecht mit Blick auf das gemeinsame Kind ging, hatten sich – auf Initiative des Familienrichters – sowohl der spätere Angeklagte als auch die (einzige) Belastungszeugin freiwillig einer polygrafischen Untersuchung unterzogen, die von der zertifizierten Sachverständigen für Forensische Physiopsychologie, Diplom-Psychologin Gisela Klein (Rechtspsychologische Praxis, Bahnstraße 3, 50858 Köln, Telefon: 02234/432050), vorgenommen worden war. Die Testergebnisse des späteren Angeklagten ließen den Schluss zu, dass dieser die verdachtsbezogenen Fragen wahrheitsgemäß verneint hatte. Hingegen waren die Testergebnisse der Belastungszeugin nicht geeignet, den Verdacht zu entkräften, dass diese wahrheitswidrig ihren Ehemann belastet hatte. Das Familiengericht entschied daraufhin, die elterliche Sorge beim Vater des Kindes zu belassen, und stützte sich dabei unter anderem auf die Ergebnisse dieser polygrafischen Untersuchungen (AG Bautzen [Abteilung für Familiensachen], Beschluss vom 28. Januar 2013, Az.: 12 F 1032/12 eA).

Auch im Strafverfahren griff das Gericht auf diese Ergebnisse zurück und ließ deren Verwertung ausdrücklich zu. „Mit einem Polygrafen ergeben sich neue Möglichkeiten, in einem Strafprozess die Wahrheit zu finden“, sagte der Vorsitzende des Schöffengerichts, Dr. Dirk Hertle („Freispruch dank Lügendetektor“, Sächsische Zeitung vom 27.3.2013, Seite 6). Das Gericht betonte, dass polygrafische Untersuchungen zuverlässig seien. Damit steht die Entscheidung auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte eine Zulassung abhängig gemacht von der Zuverlässigkeit der physiopsychologischen Methode (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998, Az.: 1 StR 156/98, BGHSt 44, 308 ff.). Da das Amtsgericht nunmehr von der Validität überzeugt ist, war es folgerichtig, der polygrafischen Untersuchung einen indiziellen Beweiswert zuzusprechen.

Die Verwertbarkeit im Strafverfahren hat das Amtsgericht an folgende Voraussetzungen geknüpft: Erstens muss die Untersuchung in einem geordneten gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen (Ermittlungs-)Verfahren nach erklärter Freiwilligkeit angeordnet worden sein. Zweitens muss der Test freiwillig unter Laborbedingungen mittels mindestens vier gemessenen Parametern (relative Blutdruckschwankungen, Atmung, elektrischer Hautwiderstand, vasomotorische Aktivität) stattfinden und von einem zertifizierten Sachverständigen durchgeführt werden. Als Sachverständige kommen damit nur Fachpsychologen für Rechtspsychologie in Betracht, die nachgewiesenermaßen mit der physiopsychologischen Methode vertraut sind und über eine spezielle Ausbildung verfügen zur fachgerechten Bedienung eines Polygrafen und der Interpretation seiner Aufzeichnungen. Drittens muss das Verfahren die Tatfrage betreffen und viertens darf das physiopsychologische Befundergebnis lediglich zur Entlastung des Angeklagten verwertet werden.

Unter den vorstehenden Bedingungen könne, so das Amtsgericht Bautzen, ein Testergebnis als entlastendes Indiz zugunsten eines Angeklagten verwertet werden.

Literatur:

  1. Putzke, Holm / Scheinfeld, Jörg / Klein, Gisela / Undeutsch, Udo: Polygraphische Untersuchungen im Strafprozess. Neues zur faktischen Validität und normativen Zulässigkeit des vom Beschuldigten eingeführten Sachverständigenbeweises; in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 2009, S. 607–644
  2. Putzke, Holm / Scheinfeld, Jörg: Entlastungsbeweis: polygraphische Untersuchung – Taktisches zur Beweismittelerhebung im Strafverfahren, in: Strafverteidiger Forum (StraFO) 2/2010, S. 58 ff.

  3. Entscheidungsbesprechung zu BGH, Beschl. v. 30.11.2010, 1 StR 509/10 (Untersuchung mittels eines Polygraphen als ungeeignetes Beweismittel); in: Zeitschrift für das Juristische Studium (ZJS) 2011, S. 557–563

 

24. Oktober 2012: Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben, 4. Auflage 2012

Knapp fünf Jahre nach der Erstauflage erscheint das Buch "Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben" nunmehr schon in der 4. Auflage. Dies zeigt, wie wichtig und nötig eine Arbeitsanleitung zur Erstellung juristischer Texte ist. Denn dafür vermittelt dieses Buch die wichtigsten Kenntnisse. Enthalten sind wertvolle Tipps u. a. zu folgenden Themen: effektives Herangehen an juristische Arbeiten, juristisches Handwerkszeug, richtige sprachliche und formale Gestaltung, korrekter Umgang mit Rechtsprechung und Literatur, perfekte Zitierweise sowie geschickter Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen.

 

24. Juni 2012: Religiös motivierte Beschneidungen von Jungen sind verboten

Noch nie hat ein Gericht sich mit der Frage beschäftigt, ob das deutsche Recht religiöse Beschneidungen an Kindern erlaubt. Das Landgericht Köln hat jetzt rechtskräftig entschieden: Sie sind (bezogen auf den Islam) verboten; wer sie vornimmt, macht sich grundsätzlich strafbar, weil weder Elternrecht noch Religionsfreiheit eine Rechtfertigung gewähren.

Nähere Informationen unter:

Putzke, LG Köln fällt wegweisendes Urteil: Religiöse Beschneidungen von Jungen verboten, Legal Tribune Online v. 26.6.2012

Interview zum Urteil des LG Köln: Deutsch Türkische Nachrichten v. 26.6.2012

Financial Times Deutschland v. 25.6.2012: Illegale Prozedur - Gericht stellt religiöse Beschneidung unter Strafe

Ausführlich: Putzke, Die strafrechtliche Relevanz der Beschneidung von Knaben. Zugleich ein Beitrag über die Grenzen der Einwilligung in Fällen der Personensorge, in: Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg zum siebzigsten Geburtstag am 14. Februar 2008, Tübingen 2008, S. 669–709

10. Juni 2012

Literaturhinweis: Putzke, Christina, Rechtsbeugung in Kollegialgerichten. Zur Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens, Tübingen 2012

Räuber, Mörder und Brandstifter machen sich strafbar, wenn sie rauben, töten oder Brände legen. Ihre Bestrafung ist notwendig und selbstverständlich. Obwohl sich diese Notwendigkeit auch bei Richtern, wenn sie das Recht beugen, nicht ernsthaft bestreiten lässt, ist deren Bestrafung keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Christina Putzke widmet sich den insoweit auftretenden Schwierigkeiten und zeigt auf, dass es sich - auf dem Boden des Gesetzes - durchweg um lösbare Probleme handelt.
Im Mittelpunkt steht dabei das tatbestandsmäßige Verhalten, das in Kollegialgerichten bislang überwiegend in der Zustimmung zu der rechtsbeugenden Entscheidung erblickt wird. Wer hingegen konsequent strafrechtliche Zurechnungskriterien zugrunde legt, erkennt, dass die Strafbarkeit am Inkraftsetzen der rechtsbeugenden Entscheidung zu orientieren ist. Auf dem Weg zur Bestimmung des tatbestandsmäßigen Verhaltens widmet sich die Autorin intensiv dem Problem der Kausalität bei Gremienentscheidungen und dem richterlichen Beratungsgeheimnis. Nach diesen Klärungen könnte nun auch für Richter, wenn sie das Recht beugen, die Bestrafung zur Selbstverständlichkeit werden.

 

6. Juni 2012: Rechtsbeugung

BGH kippt Freispruch vom Vorwurf der Rechtsbeugung: Wenn Richter über Richter richten, Anmerkung zu BGH, Beschl. v. 31.5.2012 (2 StR 610/11); in: Legal Tribune ONLINE (LTO) v. 6.6.2012, www.lto.de/persistant/a_id/6344 (gemeinsam mit Christina Putzke)

http://de.scribd.com/doc/155249520/SCHRODER-Beschneidung

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