Mit Vollgas in die Symbolpolitik - die Passauer CSU als Poller-Partei
Die Forderung der CSU-Fraktion, nach einem gezielten Beziehungstat-Anschlag flächendeckend Poller in der Stadt aufzustellen (siehe PNP v. 13.6.2025, S. 19: „Schutz vor der Waffe Auto. Nach Anschlag auf Gehweg: CSU erweitert Poller-Antrag“), ist ein klassisches Beispiel für sicherheitspolitischen Aktionismus ohne Substanz – Symbolpolitik statt evidenzbasierter Maßnahmen.
Zunächst zur Faktenlage: Der Vorfall in der Grünaustraße war kein terroristischer Angriff auf den öffentlichen Raum, sondern, soweit bekannt, eine gezielte Beziehungstat. Der Täter hatte konkrete Opfer, nicht die Öffentlichkeit im Visier. Das räumt die CSU sogar selbst ein – und zieht trotzdem den Schluss, dass „das Auto zur Waffe“ werde und der öffentliche Raum nun flächendeckend durch bauliche Maßnahmen gesichert werden müsse. Das ist sachlich unlogisch und zeugt von einem tiefen Missverständnis der Risikobewertung.
Wissenschaftlich betrachtet ist die flächendeckende Absicherung urbaner Räume mit Pollern, Pflanzkübeln oder ähnlichen Maßnahmen nur dort sinnvoll, wo konkrete Gefährdungslagen durch gezielte Angriffe auf Menschenansammlungen vorliegen, etwa bei Großveranstaltungen, politisch brisanten Orten oder terroristischen Anschlagszielen. Derartige Empfehlungen stammen aus der Sicherheitsforschung und der urbanen Gefahrenabwehr. Eine wahllose Ausweitung auf jeden „stark frequentierten Bereich“ ist ineffizient, teuer und bringt keine nachweisbare Verbesserung der Sicherheitslage.
Dazu kommt: Poller verhindern keine Amokfahrten durch Leute mit psychischen Ausnahmelagen oder persönlichen Motiven. Oder will die Passauer CSU die ganze Fußgängerzone hermetisch abriegeln, also auch von der Brunngasse bis zur Grabengasse alles mit Pollern zupflastern? Darüber „freuen“ sich dann auch die Rettungskräfte, wenn es um lebenswichtige Minuten geht. Wer wirklich Schaden anrichten und Menschen verletzen oder gar töten will, wird es anders tun, das zeigen alle sicherheitsrelevanten Studien zum Thema target substitution (Zielverlagerung). Wenn es keine Autos sind, werden Messer, Schusswaffen oder Brandstiftung zum Mittel. Poller lösen also nicht das Grundproblem – sie verschieben es nur, und zwar teuer.
Städtebaulich bedeutet eine solche Maßnahme außerdem die schleichende Militarisierung des öffentlichen Raums – mit negativen Folgen für Aufenthaltsqualität, Barrierefreiheit und sozialräumliche Offenheit. Eine durchgepollerte Innenstadt wirkt nicht sicher, sondern wie ein belagerter Ort. Genau das Gegenteil von dem, was eine offene, lebenswerte Stadt wie Passau eigentlich sein will.
Was bleibt, ist der politische Reflex: Nach einem tragischen, aufsehenerregenden Vorfall muss „gehandelt“ werden, egal ob sinnvoll oder nicht. Es ist das Sicherheitsäquivalent zum Placebo. Für die CSU ein vermeintlicher Punktsieg in der öffentlichen Wahrnehmung. Für die Stadtgesellschaft ein teures, städtebauliches Ärgernis ohne messbaren Nutzen und mit einem Versprechen, das nicht zu halten ist. Der Vorschlag ist ein weiteres Beispiel für die programmatische Orientierungslosigkeit der Passauer CSU und ihres OB-Kandidaten.
Fazit: Der CSU-Vorstoß ist sicherheitspolitischer Populismus, keine durchdachte Gefahrenabwehr. Statt Pollern braucht es präventive Sozialarbeit, psychologische Hilfsangebote, Risikomanagement und gezielte Schutzkonzepte für tatsächlich gefährdete Orte. Alles andere ist Show – und gefährlich naiv.